Medellín -
Medellín - Ein Kurzüberblick
Medellín ist mit 2,5 Millionen Einwohnern nach Bogota die zweitgrößte Stadt Kolumbiens. Sie spielte in der Kolonialisierung aufgrund ihrer Lage nur eine begrenzte Rolle. Die Größe und den Wohlstand verdankt Medellín dem Anbau von Kaffee. Die Stadt ist umgeben von Gebirgen und damit schwer zu erreichen. Medellín liegt deutlich tiefer als Bogotá, aber immer noch auf knapp 1500 Höhenmetern. Internationale Bekanntheit erlangte die Stadt durch das Drogenkartell um Pablo Escobar und die in Kolumbien sehr unbeliebte Serie Narcos. Insbesondere in Bogotá und Medellín hörten wir häufiger bei den Walking Tours, dass vieles in der Serie erfunden oder Zusammenhänge falsch dargestellt wurden.
Anreise
Wir erreichten Medellín nach einer 11-stündigen Busfahrt von Bogotá aus. Da wir solche langen Fahrten immer nachts angehen sind die Fahrzeiten kein Problem für uns. Sicher können wir uns etwas Schöneres vorstellen, doch die Zeit geht eigentlich immer schnell vorbei. Wir erreichten morgens den nördlichen Busbahnhof Medellíns und fuhren mit der Metro in das Touristenviertel La Poblado, von den Einheimischen auch Gringolandia genannt. Am nördlichen Busterminal kommen alle Busse an, die aus dem Norden kommen oder in den Norden wollen. Für alle Fahrten nach oder aus dem Süden gibt es im Süden der Stadt ein weiteres Busterminal. Durch die Stadt bewegt man sich am besten mit der Metro. Medellín verfügt über das modernste öffentliche Nahverkehrsnetz in ganz Kolumbien. Durch das Tal verläuft die Metro, an welche 4 Seilbahnen angeschlossen sind. Was für uns zunächst komisch war, ist hier vollkommen normal. Man kann direkt von der Metro in die Seilbahn einsteigen und den Berg hinauf fahren. Da die Stadt sehr weit entlang der angrenzenden Berge gewachsen ist, ist dies die beste Möglichkeit diese Viertel an die Stadt und das Leben vor Ort anzuschließen.
La Poblado - Gringolandia
Wir wohnten in einem Hostel in Poblado. Dies wird von den Einheimischen auch Gringolandia genannt, da sich hier sehr viele Hostels, Bars und Restaurants tummeln. Außerdem wohnen hier viele gut betuchte Einheimische.
Eine Metrostation war nur einige Gehminuten von unserer Unterkunft entfernt, was das Fortbewegen in der Stadt erleichtert. Wir schafften es während unseres Aufenthalts in Medellín, nach über einem Monat des Reisens, endlich mal feiern zu gehen. Im Hostel machten wir die Bekanntschaft mit einem DJ aus Italien, dessen Kumpel in der Stadt auflegte und wir landeten in einem Underground Techno Laden, in welchem vielleicht 10 Ausländer waren und ansonsten nur Kolumbianer. Wir hatten viel Spaß!
Beyond Columbia - Medellín Free Walking Tour
Die Tage verbrachten wir mit der Besichtigung der Stadt, wofür wir uns wieder eine Free Walking Tour anschlossen. Das besondere in Medellín ist, dass man diese online reservieren muss. Ansonsten kann man nicht teilnehmen. Das hatten wir vorher noch nie so erlebt.
Unsere Free Walking Tour startete im Regierungsviertel Medellíns. Neben einigen mächtigen Gebäuden gibt es hier einen alten Bahnhof zu sehen. Medellín verfügte einst über eine Zugstrecke, davon ist heute aber nichts mehr übrig. Wir schlenderten durch eine Marktstraße, wo wir beständig aufgefordert wurden etwas zu kaufen und stoppten am Platz der Lichter. Hier ist der Transformationsprozess der Stadt sehr gut sichtbar. Dafür muss man aber die Geschichte und die Entwicklung der Stadt verstehen, daher eine kurze Zusammenfassung:
Die Kolonialmächte waren zunächst nicht an dem Gebiet interessiert, da es kein Gold gab und es schwer zu erreichen war. Daher finden sich in Medellín auch nur sehr wenige Kolonialgebäude. Erst der Kaffeeanbau ließ die Stadt enorm wachsen. Medellín liegt in der Zone de Cafetera, ein Gebiet welches die perfekten Voraussetzungen für den Kaffeeanbau bietet. Da auf Kaffee Steuern erhoben wurden, entwickelte sich ein Schwarzmarkt in den ärmeren Teilen der Stadt. Es entstanden Schmuggelrouten, welche später für den Drogenhandel genutzt wurden. Ab 1980 boomte der Handel mit Kokain. Pablo Escobar revolutionierte das Drogengeschäft. Er vereinte verschieden Gruppen des Drogenhandels in Medellín, die sich gegenseitig bekämpften, und schuf ein schlagkräftiges Kartell. Er wurde von vielen Einheimischen als Robin Hood bezeichnet, da er anfangs für den Bau vieler Häuser in armen Vierteln der Stadt sorgte und sich um die Bevölkerung kümmerte. Im Gegenzug begannen viele Einwohner dieser Problemviertel für ihn zu arbeiten und sein Kartell wuchs und wurde stärker. Außerdem änderte er die Verkaufsstrategie. Während bisher meist nur die Verarbeitung im Land stattfand, sorgte er dafür dass sowohl der Anbau als auch die Distribution und der Verkauf durch sein Kartell abgedeckt wurde. Dadurch wurde das Geschäft enorm lukrativ. Der Staat kämpfte gegen die Drogengeschäfte an und das Kartell revanchierte sich mit Terroraktionen wie Bombenanschlägen. Besonders schlimm wurde es nach dem Tod Escobars, als verschiedene Anhänger versuchten seinen Platz einzunehmen und sich bekriegten. Unsere Führerin war Ende 20 und berichtete, dass es nichts ungewöhnliches gewesen war, auf dem Weg zur Schule Leichen auf der Straße zu sehen. Uns erschreckte immer wieder wie jung dieses grausame Kapitel der Stadt ist. Doch Medellín befindet sich im Umbruch. Obwohl vieles erlebt und erduldet werden musste, sind die Einwohner glücklich und schauen der Zukunft freudig entgegen. Der Platz der Lichter war einst ein sehr gefährlicher Ort. Hier wurden Drogengeschäfte abgewickelt und es sammelten sich Obdachlose sowie Prostituierte. Engagierte Persönlichkeiten haben in Zusammenarbeit mit der Regierung daraus einen Platz der Transformation gemacht. Er wurde erneuert und ist heute sicherer. Es befinden sich einige Bäume sowie ein großes Kunstwerk aus LED-Leuchten als Symbol der Hoffnung auf dem Platz.
Während der Tour besuchten wir den Plaza de Botero. Der Künstler hat der Stadt mehrere Skulpturen gestiftet, welche entlang des Platzes aufgestellt wurden.
Die Tour endete an den Pajaro de Paz, den Vögeln des Friedens. Neben den Drogenkartellen terrorisierten ebenfalls die Guerillagruppen in der Vergangenheit die Stadt. Im Jahr 1995 zündete F.A.R.C. während einer Veranstaltung auf dem Plaza de San Antonio eine Bombe und tötete dabei 30 Menschen. Durch die Detonation wurde ebenfalls eine Skulptur Boteros beschädigt. Sie befindet sich noch immer an dem Platz und erinnert an den Bombenanschlag. Als Zeichen der Hoffnung hat der Künstler eine Duplikat erstellt, welches neben der zerstörten Statue steht.
Comuna 13 - das gefährlichste Viertel der Welt
Über die Präsenz und den Terror der F.A.R.C lernten wir mehr bei der Führung durch Comuna 13. Medellin ist in 16 Stadtbezirke, sogenannte Comunas aufgeteilt. Comuna 13 erstreckt sich am Stadtrand entlang des Berges hinauf. F.A.R.C. besetzte den Stadtbezirk aufgrund seiner strategischen Lage mit Waffengewalt. Nach dem Zerfall des Medellín Kartells hatten sich verschiedene Guerillagruppen den Drogenhandel als Finanzierungsquelle angeeignet. Sie nutzen das Gebiet für die Verarbeitung und die Distribution von Kokain. Nachdem Versuche der Stadt die Besatzer zu verdrängen scheiterten, war Comuna Jahre lang von der öffentlichen Versorgung abgeschnitten. F.A.R.C. war in den ersten Jahren in Comuna 13 beliebt, da sie öffentliche Einrichtungen bauten und vielen Menschen halfen, was die Regierung oft nicht schaffte. Nach einigen Jahren änderte sich dies. Die sozialistischen Prinzipien der Gruppe waren in den Hintergrund geraten, nachdem der Drogenhandel zur Hauptfinanzierungsquellen geworden war. Während die Organisation anfangs zum Beispiel viel Wert auf die Bildung der Mitglieder legte, rückte der Fokus auf Terrorismus – die Verbreitung von Angst und Schrecken. In Comuna 13 wurden viele Zivilisten ermordet und die Kämpfer der Guerillagruppe gefürchtet. Unser Guide war Anfang 20 und wuchs in dem Stadtbezirk auf. Er berichtete viel über den Schrecken, den seine Familie erlebte, über verlorene Familienmitglieder, den Terror und, dass Schüsse und Leichen einst zum Alltag gehörten. Da keine Kranken- oder Leichenwagen nach Comuna 13 kamen, mussten die Bewohner Leichen in andere Stadtbezirke bringen, bevor diese abgeholt werden konnten.
Diesen Schreckensjahren steht die Transformation des ehemals gefährlichsten Viertel der Welt entgegen. Im Jahr 2002 vertrieb das Militär in der Operation Orion die Guerillas aus dem Bezirk. Die Aktion ist aufgrund der Brutalität, auch gegenüber Zivilisten, bis heute umstritten. Seitdem hat sich viel in dem Viertel getan: viele Wände sind mit Graffiti Kunst verziert, die Community bietet kostenlose Englischkurse für die Einwohner an, die längste Rolltreppe innerhalb eines Wohnviertels wurde im Stadtbezirk erbaut und das Viertel hat sich für Touristen geöffnet. Es ist unglaublich zu sehen mit wie viel Lebensfreude die Menschen durch den Tag gehen, wie froh sie darüber sind, dass wir Touristen heute da sind, und wie sie immer weiter nach vorne schauen nach allem was in Comuna 13 passiert ist.
Der Park Arví
Der Park Arví ist das perfekte Ausflugsziel für die Einheimischen am Wochenende. Man erreicht diesen mit öffentlichen Verkehrsmitteln über eine Seilbahn. Die Fahrt mit den Seilbahnen sind eigentlich schon eine Attraktion für sich. Man erhält einen tollen Blick über die gesamte Stadt. Wir fuhren an einem Sonntagmorgen zu dem Park. Nach knapp einer halben Stunde Fahrt kamen wir an. Ein toller Ort um der Hektik der Großstadt zu entkommen, viel Grün, viel Natur und nicht ganz so viel Ruhe. Denn jeden Sonntag findet am Anfang des Parks ein Bauernmarkt statt. Nachdem wir diesen hinter uns gelassen hatten fanden wir aber die gesuchte Ruhe. Wir trafen auf ein belgisches Pärchen, welches wir schon in Minca und in San Gil getroffen hatten. Mit diesen unternahmen wir eine zweistündige Wanderung. Danach machten wir uns mit der Seilbahn zusammen auf den Weg zurück in die Stadt und weiter in den Stadtbezirk 13.
Downhill Comuna 13
Seit einigen Jahren findet jährlich das Downhill Fahrradrennen durch Comuna 13 statt. Wie der Zufall es wollte, waren wir gerade zur richtigen Zeit in Medellín und konnte an unserem letzten Tag in der Stadt das Rennen besuchen. Wer schonmal auf Facebook ein Video gesehen hat, bei dem durch enge Gässchen und Treppen gefahren wird, ungefähr so war das hier auch. Kurz vor dem Ziel mussten die Fahrer noch einige Sprünge überwinden. Dort wurde die Strecke auch etwas breiter und man hat als Zuschauer Zugang. Wir verfolgten das Rennen von verschiedenen Punkten für einige Stunden, bevor wir uns zurück zum Hostel machten.
Weiterreise
Im Hostel holten wir nur unser Gepäck ab und machten uns auf den Weg nach Guatapé. Dafür kämpften wir uns mit Gepäck durch die volle Metro zum nördlichen Busterminal und stiegen dort in einen Bus nach Guatapé ein.