Die Osterinsel -
Im zweiten Teil unserer Osterinsel-Serie geht es um den geschichtlichen und kulturellen Hintergrund der Rapa Nui. Das Volk hat eine spannende Geschichte, von der heute noch die beeindruckenden Steinfiguren erzählen. Wir möchten euch in diesem Post die Hintergründe und Entwicklungen, welche wir über die Rapa Nui erfahren haben, näher bringen.
Geschichtlicher und kultureller Hintergrund
Die Rapa Nui sind ein Volk über die viele Mythen existieren. Dies liegt vorallem daran, dass es nur wenige Fakten gibt um auch nur einen Bruchteil der vielen offenen Fragen zu beantworten. Um zu verstehen warum dies so ist, muss man sich ein wenig mit der Geschichte der Rapa Nui befassen. Wir versuchen kurz zusammenzufassen, was wir bei unserem Museumsbesuch gelernt haben. Es empfiehlt sich das Museum an einem der ersten Tagen auf der Insel zu besichtigen, da man somit mit viel Hintergrundwissen über die verschiedenen Sehenswürdigkeiten besitzt.
Die Insel wurde im Zuge einer Expansionswelle verschiedener polynesischer Inselvölker entdeckt und bevölkert. Wahrscheinlich irgendwann zwischen 800 und 1200 nach Christus. Auf der Insel etablierten sich insgesamt 10 Stämme, die in verschiedenen Bereichen der Insel lebten. Das Meer war die wichtigste Nahrungsquelle für die Menschen und daher befanden sich alle Siedlungen an der Küste. Die Mitte der Insel war unbesiedelt. Es entwickelte sich eine Kultur mit einer strikten Rangordnung. Es gab feste Klassen, zu denen die Menschen gehörten und die ihr Ansehen bestimmten. Es gab Anführer, Priester, Krieger und viele andere. Auch unter den Stämmen gab es eine ungefähre Rangordnung – so besaßen einige Stämme eine bessere Aura, welches sie bedeutender machte. Um ebenfalls eine bessere Aura zu erhalten begannen die einzelnen Stämme Bauwerke zu erschaffen. Sie bauten Ahus – Anbestungsstätten in Form von großen Steinplattformen – und darauf errichteten sie Moais – die bekannten Steinfiguren. Diese zeigen nicht etwa das Abbild von Göttern, sondern von den Ahnen und Vorfahren der Rapa Nui. Bedeutende Persönlichkeiten wurde durch die Steinfiguren nachgebildet und wachten über das Volk.
Die Stämme konkurrierten jährlich durch das Vogelmann-Ritual, welches politische und religiöse Vorherrschaft für den Zeitraum eines Jahres regelte. Diese Tradition wird im nächsten Abschnitt genauer erklärt. Mit dem Bau der Moais verlor dies aber langsam an Wichtigkeit. Die Stämme versuchten sich gegenseitig durch die Bauwerke zu übertreffen. Sie fokussierten sich immer mehr auf den Bau der Figuren. Die Stämme steigerten sich immer weiter in den Gigantismus. Der größte aufgerichtet Moai war 9,8 Meter hoch und wog 74 Tonnen. Dieser wurde von einigen anderen Steinfiguren sogar noch übertroffen, allerdings wurden diese nie fertiggestellt. Der größte Moai mit dem Beinamen “El Gigante” ist 21,6 Meter hoch und wiegt zwischen 160 und 182 Tonnen.
Die Stämme verloren wichtige Fragen des täglichen Lebens und sogar das Überleben aus dem Blick. Die Bevölkerung war zu stark angewachsen, als das sie mit den Ressourcen der Insel versorgt werden konnte. Es kam zu einer Ressourcen- und Nahrungsknappheit, welche Kriege unter den Stämmen zur Folge hatte. Innerhalb der Kampfhandlungen wurden viele der Moais umgestoßen. Man glaubte dadurch die Aura des Feindes zu zerstören und ihn so zu schwächen. Viele andere Moais wurden aufgrund der Unzufriedenheit und des Leides im Volkes umgeworfen. Von einem auf den anderen Tag wurde der Bau der Steinfiguren eingestellt und man kehrte sich volkommen von der bisherigen Kultur ab.
Die Kampfhandlungen reduzierten die Anzahl der Inselbewohner und die Entdeckung der Insel durch Europäer brachte weiteres Unheil. Expeditionen von verschiedenen Staaten brachten Krankeiten wie Grippe oder Sypillis auf die Insel, auf welche das Immunsystem der isolierten Bevölkerung nicht vorbereitet war. Weiterhin wurde ein Großteil der Einwohner versklavt und verschleppt. 1877 lebten nur noch 111 Menschen auf der Insel. Der enorme Bevölkerungsrückgang hatte zur Folge, dass die bis zu diesem Zeitpunkt nur mündliche überlieferte Geschichte und Kultur nicht weitergegeben wurde. Die Rapa Nui hatten keine Schriftsprache und so existieren keine schriftlichen Aufzeichnungen. Ein Großteil des Wissens ist wahrscheinlich für immer verloren und die Informationen bleiben unvollständigen. Selbst einfachste Fragen, wie beispielsweise die Tonnen schweren Steinfiguren transportiert oder aufgerichtet wurden bleiben heute ungeklärt.
Vogelmann Tradition in Orongo
Im Süden der Insel befindet sich das Steindorf Orongo. Es handelt sich dabei um eine der wichtigsten religiösen und kulturellen Stätten auf der Insel. Wie bereits erwähnt lebten auf der Insel mehrere Stämme mit jeweils eigenen Stammesführeren. Eine der wichtigsten gemeinsamen Traditionen der Stämme war der Vogelmannkult. Durch diesen wurde der Führungsanspruch unter den Stämmen für das nächste Jahr geregelt. An dem Kult konnten die Stammesführer selbst oder von ihnen ausgewählte Repräsentanten teilnehmen. Alle Teilnehmer verfolgten das selbe Ziel: das erste Ei der Saision einer Rußseeschwalbe von einer vorgelagerten Insel auf Rapa Nui zu bringen. Das ganze klingt erstmal etwas komisch, um die Tradition richtig zu verstehen benötigt man noch etwas mehr Hintergrundwissen.
Die kleine vorgelagerte Insel trägt den Namen Motu Nui. Im Glauben der Rapa Nui hat der Schöpfergott “Make Make” in Begleitung von “Haua”, dem Hüter der Vogeleier, die Vögel von Rapa Nui auf die Insel Motu Nui verbannt. Grund dafür war, dass die Einwohner von Rapa Nui von den verbotenen Eier gegessen hatten – erinnert irgendwie an die verbotene Frucht aus der Bibel. Vor der Ankunft der Rapa Nui auf der Insel brüteten unzählige Vögel auf dem Eiland. Durch die Bevölkerung zogen sich viele davon auf Motu Nui oder ganz zurück. Die Rapa Nui versuchten sich diesen Prozess durch ihren Schöpfergott zu erklären. Das Ei galt für die Rapa Nui als eine Art Inkarnation des Schöpfergottes “Make Make”. Es war der Ausdruck religiöser und sozialer Kräfte. Der Gewinner des Wettstreites, wer also das Ei besaß, erhielt uneingeschränkte religiöse und politische Macht für die kommenden 12 Monate – bis zur nächsten Durchführung der Tradition. Die Insel Motu Nui galt daher allen Bewohnern der Insel als Tabu – es war verboten sie zu beteten und es konnte sogar mit dem Tod bestraft werden.
Einmal im Jahr wurde dieses Tabu für die Wettstreiter der Vogelmann Tradition aufgehoben. Der Weg zur Insel Motu Nui war allerdings äußerst gefährlich. Zunächst mussten die Wettstreiter eine 300 Meter hohe Klippe überwinden und danach 1,5 Kilometer durch das Meer mit starkem Wellengang zur Insel Motu Nui schwimmen. Außerdem gab es viele Haie im Wasser. Der Wettstreit begann jedes Jahr zur Brutzeit der Vögel, doch bedeutete dies nicht, dass es auch sofort Eier zu finden gab. Teilweise harrten die Männer Tage oder mehrere Wochen auf der Insel aus, in Erwartung des ersten Eies einer Rußseeschwalbe. Das geborgene Ei banden sich die Wettstreiter an die Stirn, schwammen zurück ans Festland und kletterten die 300 Meter hohe Felswand zu Orongo wieder hinauf. Der Rückweg galt als ungefährlich, da man durch das Ei beschützt wurde. Der Sieger übergab seinem Stammesführer das Ei und dieser erlangte damit die Vorherrschaft für das kommende Jahr. Die Männer, die sich dem Wettstreit stellten, wurden in der Sprache der Rapa Nui als Hopu bezeichnet. Für den Hopu, welcher erfolgreich das erste Ei auf die Insel gebracht hatte, war das darauffolgende Jahr ebenfalls außergewöhnlich. Die Rapa Nui glaubten, dass er aufgrund der Berührung mit dem gottähnlichen Ei, das Jahr in volkommener Abgeschiedenheit leben musste. Niemand dufte ihn sehen oder gar berühren. Der erfolgreiche Hopu durfte wiederum kein Essen anfassen oder sich reinigen. Dafür bekam er einen gesonderten Diener zur Seite gestellt. Nach dem Jahr in Isolation kehrte er in sein normales Leben zurück. An dieser Tradition nahmen auch Stammesführer teil, denn ein Erfolg eines politischen Führeres, bei dem religiösen Wettstreit machte ihn zu einer Art Gottmensch – er erlangte den höchst möglichen Status in der Gesellschaft und bekam nach dem Tod das Begräbnis eines Heiligen.
Die Stammesfürsten, ihre Repräsentaten sowie wichtige Prieser bereiteten sich in Orongo auf den Kult vor und warteten auf die erfolgreiche Rückkehr der Hopu in Orongo. Den Rest des Jahres über wurde die Steinstadt Orongo nicht benutzt und stand leer. Für die Zeit der Vogelmann Tradition hatte man Steinhütten errichtet. Von diesen sind nur noch Ruinen über geblieben. Sie waren teilweise mit Kunstgegenständen dekoriert. Leider wurden die Ruinen von Orongo von Entdeckern, Abenteurern und Touristen geplündert und die Dekoration aus den Hütten gestohlen. Sie werden wohl für immer verschollen bleiben.
Orongo erreicht man von Hanga Roa aus in wenigen Minuten mit dem Auto oder durch eine knapp 2-stündige Wanderung. Wir entschieden uns natürlich für Zweiteres. Dabei liefen wir zunächst entlang der Küste und kamen an Ana Kai Tangata vorbei. Dort sahen wir die Überreste von Höhlenmalereien der Rapa Nui. Weiter führte der Weg durch bunte Natur. Wir wanderten zum Vulkan Vaiatare und passierten dabei gelb leuchtende Felder. Der Vulkan Vaiatare ist einer der drei großen Vulkan, der die Insel vom Meeresboden erhoben hat. Der Weg führt bis zum Krater des erloschenen Vulkans und man hat einen beeindruckenden Blick auf den Kratersee. Das Ökosystem innerhalb des Vulkans ist vor Wind geschützt, weshalb es sich enorm von dem auf der Insel unterscheidet. Daher darf man auch nicht in den Vulkan hineinwandern.
Wir wanderten entlang des Kraters zur Steinstadt Orongo. Dort besichtigten wir einige wiederaufgebaute Steinhütten, sahen die Insel Motu Nui und lernten viel über den Vogelmann-Kult. In Orongo selbst wirkt das gesamte Unterfangen extrem gefährlich: die 300 Meter zum Meer gehen steil in die Tiefe, der Wellengang ist stark und auf dem Eiland Moti Nui gibt es nichts als rauen Felsen. Kaum vorzustellen wie sich Menschen freiweillig diesen Herausforderung stellen konnten. Obwohl von Orongo leider nicht mehr viel übrig ist, ist es alleine schon wegen der Geschichten ein besonderer Ort mit einer außergewöhnlichen Atmosphäre.
Im dritten und letzten Teil unserer kleinen Beitragsserie zur Osterinsel erwartet euch der Reisebericht zu unseren Aktivitäten auf der Insel und ganz viele Bilder. Also am besten gleich hier reinschauen.
Toller interessanter Beitrag! Sehr schön ausführlich und verständlich beschrieben, super weiter so.
Hallo Franko,
Es freut uns, dass dir unser Beitrag gefällt. Viel Spaß weiterhin beim Lesen!
Liebe Grüße Julia & Jakob