Uruguay verstehen
Auf unserer Südamerikareise waren wir zwar nur 4 Tage in Uruguay, doch auch in dieser kurzen Zeit fielen uns viele Unterschiede zum Rest Südamerikas auf und wir lernten einige Besonderheiten des Landes kennen. Von diesen berichten wir euch hier.
Die Unabhängigkeit von Uruguay
Die großen Befreier von Südamerika Simon Bolivar und San Martin spielten in Uruguay keine entscheidende Rolle. Mit dem Zerfall der Macht des spanischen Kolonialreiches und den Unabhängigkeitskriegen in mehreren Staaten angeführt von beiden besagten Herren, zogen sich die spansichen Royalisten 1811 nach Montevideo, also nach Uruguay, zurück. Die Bevölkerung leistete unter dem Nationalhelden Artigas wiederstand, musste sich der Übermacht der Spanier aber geschlagen geben. Letztendlich waren es die Argentinier, welche die Spanier 1814 erfolgreich aus Uruguay vertrieben. Diese wiederum verließen 1815 auf Druck der Bevölkerung Uruguays das Land, sodass es unter Führung Artigas quasi unabhängig war – dies währte aber nicht lang. Artigas führte Reformen durch, welche dem benachbarten Kolonalreich der Portugiesen (ab 1822 unabhängiges Brasilien) zu revolutionär waren, sodass diese sich Urguay 1817 militärisch einverleibten. Auch dieser Fremdherrschaft beugten sich die Einwohner Uruguays nicht und zettelten immer wieder Aufstände an. 1825 waren sie mit Unterstützung der Briten erfolgreich. Das Verieinigte Königreich, mittlerweile die mächtigste Großmacht, wollte mit einem unabhängigen Staat an dem strategisch wichtigen Fluss Rio de la Plata seine eigenen Handelsinteressen schützen. Nur aufgrund britischer Interessen und dem Druck der Briten konnte Uruguay auch zwischen den beiden Giganten Brasilien und Argentinien seine Unabhängigkeit erlangen und langfristig bestehen.
Der Name Uruguay
Uruguay heißt offiziell „República Oriental del Uruguay“, was mit „Republik Östlich des Uruguays“ übersetzt werden kann. Der Uruguay ist der Grenzfluss zwischen Argentinien und Uruguay. Offiziell müsste man das Land also als Republik Oriental bezeichnen und nicht als Uruguay, was eigentlich nur der Name eines Grenzflusses ist. Auf fast allen offiziellen Dokumenten stand für lange Zeit entweder nur der volle Name República Oriental del Uruguay oder Republik Oriental. Damit konnten die Menschen auf dem Rest der Welt aber nicht viel anfangen – bei Oriental denkt man zumeist doch zunächst an den Orient. In neueren Dokumenten findet sich immer öfters ebenfalls oder sogar ausschließlich der Name Urugay.
Ein kleines Land und viele Rinder
Eine der wichtigsten Industrien in Uruguay ist die Viehzucht beziehungsweise Rinderfarmen. Das Leben der Gauchos, das südamerikanische Pendant zu Cowboys, sind ein wichtiger Teil der uruguyaischen Kultur. Auf 4 Millionen Einwohner kommen circa 12 Millionen Rinder. Im Schnitt besitzt also jeder Einwohner, egal ob Kind, Jugendlicher, Erwachsener oder Rentner 3 Rinder.
Die Ureinwohner Uruguyas
Die Ureinwohner von Uruguay spielten während der Unabhängigkeitskriege gegen die Portugiesen beziehungsweise Brasilianer eine wichtige Rolle. Sie kämpften an der Seite der Revolutionstruppen und der Helden des Landes. Nach der Unabhängigkeit des Landes stellten sie für die neugeschaffene Gesellschaft ein Problem dar. Die Charrúas waren ein Nomadenvolk, Jäger und Sammler. Dies passte nicht zu der aufstrebenden Viehzucht und der westlichen Orientierung im ganzen Land. Das Problem spitzte sich soweit zu, dass der erste demokratisch gewählte Präsident des Landes, José Rivera y Toscana, sich mit dem Druck des Parlamentes beugte und die Ermordung der Charrúas befuhl. Die Charrúas wurden zu einem gemeinsamen Fest eingeladen, wo sie grausam ermordert wurden. Die Soldaten töten eben jene Menschen, die vor wenigen Monaten noch mit ihnen zusammen für die Unabhängigkeit gekämpft hatten. Es fand ein Genozid an den Charrúas statt. Es überlebten nur wenige, die sich daraufhin im ganzen Land zerstreuten. Von einem auf den anderen Tag war die Kultur der Charrúas ausgelöscht. Aus diesem Grund findet man heute in Uruguay fast keine Ureinwohner mehr beziehungsweise Menschen die von Ureinwohnern abstammen. Die Menschen sehen alle sehr europäisch aus, da die Bevölkerung hauptsächlich von Migranten aus Europa abstammt.
Unterwegs vor Ort
Uruguay ist mit 175.000 km² nach Suriname das zweit kleinste Land Südamerikas. Entlang der Küste, der Hauptroute der Touristen, kann man wunderbar per Bussen reisen. Die Strecken sind im Allgemeinen nicht sehr lang, sodass Nachtbusse nicht sinnvoll sind. Ebenfalls gibt es Verbindungen in das Hinterland von Uruguay. Die Straßen in das Land der Gauchos sind teilweise nicht so gut ausgebaut und Busse verkehren nicht ganz so oft. Von daher lohnt es sich vorab zu informieren. Neben den Bussen kann man die Küste teilweise auch mit Fähren bereisen. Zwischen Colonia del Sacramento, Montevideo und Punta del Este existieren Fährtransporte. Diese sind in der Regel schneller als Busse, aber auch deutlich teurer.
Tipps:
- Preise von Bussen und Fähren vergleichen
- Bei der Reise von Buenos Aires nach Montevideo oder andersherum anstatt der Fähre einen Nachtbus nehmen – deutliche Preisersparnis und man verliert keinen Tag an Board des Schiffes, sondern fährt schlafend durch die Nacht
Ein teures Land
Uruguay hat seit Jahrzehnten eine sehr stabile Wirtschaft. Während die Nachbarländer immer wieder wirtschaftliche Probleme haben und gegen Inflation kämpfen, steht das kleine Land Uruguay sehr gut dar. Die Währung ist stabil und es gibt einen nicht so guten Wechselkurs, wie beispielsweise in Argentinien oder Bolivien. Auch dadurch wird eine Reise nach Uruguay teurer. Insgesamt kostet aber auch alles etwas mehr. Wir haben das insbesondere beim Einkaufen im Supermarkt gemerkt. In Uruguay bezahlt man eigentlich alles mit Kreditkarte, selbst Kleinstbeträge im Supermarkt. Man benötigt also eigentlich kein Bargeld. Das waren wir gar nicht mehr gewohnt. Den größten Anteil der Touristen in Uruguay stellen Argentinier. Da Argentinien mit einer Inflation zu kämpfen hat, hat Uruguay ein Gesetz eingeführt, um den Tourismus anzukurbeln. Bei Zahlung von Unterkunft (Hostel, Hotel, Gästehaus, Airbnb) und im Restaurant mit ausländischen Kreditkarten werden 10% Steuern erlassen und von der Rechnung abgezogen. Davon profitieren alle Ausländer.
Tipps:
- Unterkunft und Restaurant mit Kreditkarte zahlen –> 10% Ersparnis
- Bei Abhebungen werden geringe Gebühren erhoben – das allgemeine Zahlungsmittel ist die Kreditkarte
- In Uruguay haben die Menschen wieder Wechselgeld, man muss also nicht darauf achten stets kleine Scheine zu horten (in vielen Ländern Südamerikas stellen „große“ Scheine kleine Läden vor Probleme – es reicht schon wenn man umgerechnet 2€ mit einem 5€ Schein bezahlen will, dies funktioniert nur selten ohne Probleme)
Die Legalisierung von Marihuana
2017 unternahm Uruguay einen gewagten Vorstoß und legalisierte Marihuana. Ziel des Landes ist es damit illegalen Drogenhändlern das Geschäft zu verderben und für eine hohe Qualität der Droge zu sorgen. Die Abgabe wird streng vom Staat reguliert und er bestimmt Preis, Menge und Qualität der Droge. Marihuana wird von staatlich beauftragten Unternehmen angebaut und kann nur in Apotheken und Marihuana Clubs erstanden werden. Konsumenten müssen sich dafür zunächst bei einer staatlichen Behörde registrieren. Die Abgabe wird über einen elekrtonischen Fingerabdruck kontrolliert und jeder registrierte Uruguayer kann bis zu 40 Gramm hochwertiges Marihuana im Monat kaufen. Der Staat überwacht die Qualität und hat einen niedrigeren Preis als der Straßenpreis festgelegt, um den Schwarzmarkt trocken zu legen. Im Straßenverkehr gibt es neben bei uns üblichen Alkoholkontrollen auch Marihuanakontrollen mit Schnelltests. Wie man schon heraushören kann gelten all diese Regel aber nur für Einwohner Uruguays und eben nicht für Touristen. Das Land möchte sich nämlich nicht zu einem Urlaubsziel für Kiffer entwickeln, wie es häufig den Niederlanden nachgesagt wird.
Je mehr wir uns mit der Thematik beschäftigten, überwiegen aus unserer Sicht klar die positiven Aspekte dieser Art des Umgangs mit dem Thema. Anstatt höheren Strafen aufzustellen gibt der Staat klare Spielregeln vor, sichert eine hochwertige Qualität und legt den Schwarzmarkt trocken. Natürlich ist Uruguay nur ein kleines Land mit 4 Millionen Einwohnern – der Aufwand für Deutschland wäre um ein Vielfaches größer. Dennoch ist es nicht abwegig und man sollte die noch recht neue Umsetzung der Legalisierung und ihre weitere Entwicklung in Uruguay in den nächsten Jahren genaustens beobachten.
Uruguay, ein progressiver Staat
Neben der Legalisierung von Marihuana gibt es viele weitere Beispiele weswegen Uruguay häufig als progressiv bezeichnet wird. Uruguay war nach Argentinien das zweite Land, welches 2013 die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare eingeführt hat. Mittlerweile ist diese in den mehreren Ländern Südamerikas möglich.
Während die Religion und damit das Christentum in vielen Ländern auch politisch und gesellschaftlich eine ganz entscheidende Rolle spielt, ist Uruguay ein sehr säkularisiert Land. Der Staat wurde komplett von der Kirche getrennt. Auch in Uruguay ist der Großteil der Bevölkerung katholisch, dennoch wird diese Trennung von der Bevölkerung getragen und unterstützt. Die Trennung von Kirche und Staat fällt einem im täglichen Leben insbesondere bei Feiertagen auf. Diese orientieren sich von den Daten an den christlichen Feiertagen, besitzen aber eine andere Namensgebung. Weihnachten wird im Kalender als Fest der Familie bezeichnet und die Osterwoche ist die Woche des Tourismus. So kann der christliche Teil der Bevölkerung Weihnachten und Ostern feiern, alle anders oder nicht-gläubigen haben aber keine christlichen Feiertage. Uns hat diese Idee sehr gut gefallen.
Der wohl wichtigste Unterschied zum Rest von Südamerika ist, dass in Uruguay Abtreibungen erlaubt sind. Dies ist ein Thema, was für uns in Europa fast selbstverständlich ist. In Südamerika ist Abtreibung ein absolutes Tabuthema, auch aufgrund der häufig enormen Verstrickung von Kirche und Staat, relativ männerdominierten Gesellschaften und einem teilweise sehr rückständigen Frauenbild. In Uruguay sind Abtreibungen für Uruguayer legal und kostenlos. Die Kosten werden vom gut ausgebauten Gesundheitssystem getragen. Wie auch bei Marihuana gilt dieses Gesetz ausschließlich für Uruguayer. Menschen aus den Nachbarländern sind davon ausgeschlossen. Während es bei Marihuana darum ging einen Drogentourismus wie in Holland zu vermeiden, will es sich Uruguay politisch nicht mit seinen Nachbarn verscherzen. Die Wirtschaft des Landes ist enorm mit den Nachbarstaaten verstrickt, mit Argentinien besitzt man beispielsweise sogar ein gemeinsames Stromnetz. Das Gesetz hat in Südamerika für viel Aufsehen und Ärger gesorgt. Durch das Ausschließen ausländischer Staatsbürger, wollte Uruguay größeren politischen Streitigkeiten und damit verbundenen wirtschaftlichen Problemen aus dem Weg gehen. Abtreibungen sind in Südamerika eigentlich überall verboten. Die einzige Ausnahme neben Uruguay ist Argentinien. Dort sind Abtreibungen in Ausnahmesituation, nach Vergewaltigung, gestattet. Das Land macht aber immer wieder Schlagzeilen damit, dass dieses Gesetz umgangen wird. So verweigerte 2019 eine Klinik einem 11-jährigem Mädchen die Schwangerschaftsabbruch. Das Mädchen wurde mehrfach von dem 66-jährigem Partner ihrer Großmutter vergewaltigt und hätte laut Gesetz die Schwangerschaft abbrechen dürfen. Allerdings wies die Staatsanwältin das Krankenhaus an die Schwangerschaft nicht abzubrechen. Letztendlich kam das Baby in der 23. Woche per Notkaiserschnitt zu Welt. Die Ärzte mussten operieren, da das Mädchen sonst womöglich gestorben wäre. Das Baby hat nur geringe Überlebenschancen. Und dies ist kein Einzelfall. In konservativen Regionen von Argentinien verschleppen die Behörden immer wieder das Prozeder, bis der Zeitraum einer legalen Abtreibung überschritten wurde.