Bolivien verstehen
Bolivien war bereits das vierte Land auf unserer Reise. Dort verbrachten wir einen ganzen Monat und konnten so das Land und die Menschen wieder einmal besser kennenlernen. Wir bemerkten viele Unterschiede insbesondere zum Nachbarland Peru.
Auch wenn nachfolgend einige Probleme angesprochen werden, soll dies keinen zurückhalten Bolivien zu bereisen. Das Land hat unglaublich viel zu bieten – beeindruckende Natur, spannende Kultur, Diversität und alles war für unsere Verhältnisse super günstig! Es hat uns beiden wirklich sehr gut gefallen.
Geographie und Klima
Früher wurde Bolivien auch „Alto Peru“ genannt, was übersetzt bedeutet „hohes Peru“, und dies trifft auch vollkommen zu. Während wir in Peru schon einige Male über 3.000 Metern waren, war dies in Bolivien eine ganz normale Höhe. Öfters erreichten wir sogar die 4.000 Höhenmeter und waren dabei noch in einem Tal.
Die im Osten liegenden Anden prägen somit maßgeblich das Land. La Paz liegt bereits auf 3.800-4.000 Höhenmetern. Fährt man Richtung Westen flacht das Land jedoch auf ca. 2.000 Höhenmeter ab und es wird spürbar wärmer. In der Höhe ist es meistens kalt, wenn die Sonne sichtbar ist aber deutlich wärmer. Somit ist es wichtig für alle Wetterlagen vorbereitet zu sein. Außerdem stellten wir einen enormen Unterschied zwischen den großen Städten und ländlichen Regionen fest. Während die Städte meist weit entwickelt sind und über WLAN, ausländische Restaurants und moderner Infrastruktur verfügen, ist in Dörfer und ländlichen Gegenden von diesem modernen Einfluss nur wenig zu spüren. Es gibt es so gut wie nie WLAN im Hostel und man fühlt sich wie in einer anderen Welt. Internetbasierte Plattformen wie Booking.com oder Zahlungen mit Kreditkarte sind Fremdgegriffe.
Tipps:
- Zwiebellook ist angesagt
- Warme Sachen für Abends, nachts und morgens – es gibt keine Heizungen
- Coca gegen die Höhenkrankheit
- Zeit für Akklimatisieung einplanen und sich nicht übernehmen
- Nationalparks gut davor planen, Busverbindungen sind nicht immer einfach und es gibt kein Internet
- Simkarte bei Entel holen – der einzige Anbieter, der außerhalb der Städte funktioniert
Menschen generell
Von Südamerika waren wir bis jetzt sehr freundlich und offene Menschen gewohnt. Freundlich sind die Bolivianer auch sehr, aber sie sind wesentlich zurückhaltender als die Menschen in den Nachbarländern. Sie schauen einen kaum an und grüßen nicht. Wenn man aber die Initiative ergreift und selbst grüßt, kommt meist doch ein sehr freundliches Hallo zurück. Dann sind die meisten auch gleich interessiert an dem was man tut und wie es einem in ihrem Land gefällt.
Uns ist außerdem aufgefallen, dass es sehr viele Kinder in Bolivien gibt. Natürlich gab es auch schon in den Länder davor große Familien, aber in Bolivien war es nochmals eine Nummer extremer. Teilweise saßen Mütter mit ihren 2-3 Kindern und einem Baby auf dem Arm auf einem einzigen Sitzplatz im Minibus. Wir erfuhren, dass Frauen, die Kinder haben vom Staat Geld erhalten – eine Form von Kindergeld gibt es in Südamerika eigentlich nicht -, da der Präsident möchte, dass es mehr Bolivianer gibt. Aus diesem Grund gibt es mittlerweile leider auch mehrere Frauen, die Kinder als eine Finanzspritze sehen. Insbesondere Frauen aus ärmeren Verhätlnissen bekommen daher ihre Kinder bereits mit 16-18 Jahren.
Tipps:
- Gespräch anfangen
- Nicht denken, dass Bolivianer unfreundlich sind
- Toleranz gegenüber Familien sein – für die Einheimischen sind Familien und Kinder die Zukunft und haben daher einen sehr hohen Stellenwert
- Einfach auf alles gefasst sein und sich nicht aus der Ruhe bringen lassen – bei mehren Busfahrten wurden die vollen Windeln von Babys während der Fahrt gewechselt, für alle Einheimischen im Bus ganz normal, für uns etwas gewöhnungsbedürftig
Essen und heimische Speisen
Im Grunde besteht das Essen in Bolivien hauptsächlich wieder aus Kohlenhydraten mit Fleisch, sprich es gibt Reis, Nudeln mit Kartoffel und dazu ein Stück Fleisch. Leider muss man sagen, dass die Bolivianer keine Meisterköche sind. Der Reis ist wesentlich trockener als der in Peru, Soßen gibt es sowieso nicht und Gemüse wird meist auch weggelassen. Die Suppen waren aber, wie in ganz Südamerika ausgezeichnet. In der Region von La Paz gab es einen interessanten Unterschied: Die Suppe wurde nach dem Hauptgang und nicht davor serviert.
Ein tolles Erlebnis ist auf jedenfall der Gang zum Markt. In jeder Stadt gibt es gewöhnlich einen großen Markt mit frischen Gemüse, Obst und Fleisch. Während die nicht vorhandene Fleischkühlung etwas fraglich ist, ist das Obst und Gemüse regional und durch die Bank lecker. Leider gab es, warscheinlich durch die Höhe bedingt, keine Mangos oder tropische Früchte mehr. Stattdessen aber Pfirsiche in allen Variationen und sehr leckere Äpfel sowie Birnen. Pfirsiche gab es auch in Form von Marmelade und als Getränk. Diese wurden einem preislich fast hinterher geschmissen. Wegen der enormen Höhe gibt es vorallem auch noch ein Produkt, und zwar Coca Blätter. Das Zerkauen von Coca Blätter haben wir bereits in Peru kennen gelernt, jedoch ist es in Bolivien eine richtige Kultur. Angefangen hat es mit Minenarbeitern, die Coca Blätter während der Arbeit zu sich nahmen. Mittlerweile isst sie aber so gut wie jeder Busfahrer oder Arbeiter. Dabei beißen sie die Blätter klein und schieben sie sich in ihre Backen, wo sie die Kleinteile für mehrere Stunden lassen. Die Blätter stimulieren Reize wie Hunger und spenden Energie. Sie machen aber auf keinster Weise high, sondern sind sehr gesund, da sie eine Vielzahl an Vitaminen und Proteinen beinhalten. Trotzdem müssen wir sagen, dass es etwas ungewohnt war, so viele Menschen zu sehen, die ständig auf Blättern rumkauen. Der Geruch der Blätter liegt einem doch sehr oft in der Nase.
Tipps:
- Auf dem Markt einkaufen und nach Yapa (kleinem Geschenk, extra Frucht/Gemüse) fragen
- Am Markt wird nicht gehandelt, die Preise sind fix – Cholitas werden sauer
- Menü Angebote gibt es wieder nur mittags, deshalb mittags groß essen
- Knusprige Brötchen kaufen
- Alles mit Pfirsich probieren, sehr lecker
- Coca probieren
- Vorsicht bei Straßenessen, nur mit gesundem Magen
Aymara Kultur und Cholitas
Aymara ist eine indigene Kultur, die im Süden Perus (Titicacasee), Norden Chiles und in Bolivien lebt. Dort machen sie ca. 30-40% der Einwohner aus und pflegen ihre Traditionen sehr. Die Sprache der Aymara ist mittlerweile neben Quechua und Spanisch als offizielle Amtssprache in Peru und Bolivien anerkannt worden.
Die Aymara leben meist auf dem Land in einfachen Verhältnissen. Sie widmen ihr Leben der Landwirtschaft und der Viehzucht von Lamas und Alpacas. Die Frau der Aymara wird Cholita genannt. Diese trägt heutzutage immer noch ihre traditionellen Kleider – einen langen ausgestellten Faltenrock, ein Spitzenoberteil, einen zu kleinen britischen Hut, zwei lange geflochtene Zöpfe und ein großes buntes Tuch als Rucksack. In den wärmeren Regionen wurden die Röcke der Frauen etwas kürzer und luftiger. Auch das Modell der Hüte veränderte sich mit der Region. Eine Cholita muss rundlich bis dick sein und sehr schöne muskolöse Waden haben, da dies dem Schönheitsideal entspricht. Dadurch zeigt sie, dass sie viel tragen und arbeiten kann. Cholitas arbeiten meist auf dem Land und verkaufen in der Stadt ihre Ware wie Früchte sowie Gemüse und müssen daher kräftig zupacken können. Der Mann muss in der Aymara Kultur auch dick sein und dickes Haar haben, was zeigt, dass er eine Familie gut ernähren kann. Eine traditionelle Kleidung gibt es für Männer nicht mehr. Früher trugen sie ebenfalls Röcke. Während der Kolonialisierung wurden sie von den Spaniern deswegen diskriminiert und daher ist die traditionelle Kleidung der Aymara Männer verschwunden. Generell kam es uns aber so vor als wären die Frauen in der Kultur wichtiger und würden das Sagen in der Familie haben.
Tipps:
- Cholitas nicht fotografieren ohne sie zu fragen. Sie mögen das nicht und werfen gerne mit faulem Obst von ihrem Stand
- Die Tracht der Frauen anschauen, es sind wirklich außergewöhnliche, aufwendige und sehr teure dabei
- Cholitas können oft etwas kernig wirken – die meisten sind aber sehr nett, wenn man sie freundlich grüßt
Müll Problem
Leider ist uns ein trauriges Thema besonders in Bolivien aufgefallen. Bereits im Norden von Perus sahen wir an jeder Straßenecke und auf jedem verlassenen Grundstück viel Müll liegen. Von Plastiktüten und Flaschen bis zu alten Autoreifen. Dies erschreckte uns dort schon sehr. In Bolivien war es jedoch noch schlimmer. An Ortseingängen und am Straßenrand tummelte sich der Müll. Aber das schreckliche war die Mentalität der Menschen. Wir sahen mehrfach im Bus wie Einheimische ihren Müll einfach aus dem Fenster warfen als wäre es das normalste auf der Welt. Mütter zeigten ihren Kindern, dass sie die Sachen einfach aus dem Fenster werfen können ganz nach dem Motto aus dem Auge, aus dem Sinn. Nachdem wir einmal fragten ob es einen Mülleimer gäbe, sagte eine Frau nur dass wir doch hier in Bolivien seien, es keine Mülleimer gäbe und wir es doch einfach wegwerfen könnten. Dass das Umweltbewusstsein in diesem Teil der Welt noch nicht angekommen ist, ist leider wirklich erschreckend. Bolivien hat so vielfältige und besondere Landschaftsformen, teilweise so unberührt, aber die Menschen selbst sind es, die es zerstören. Viele Menschen hat die Modernisierung in den letzten Jahrzehnten einfach überrollt. Der neue Lebensstil mit Plastikverpackungen und Plastiktüten ist so viel einfacher. Das Verständnis von Entsorgung oder Nachhaltigkeit ist einfach noch nicht vorhanden. Die Menschen machen sich keine Gedanken was man mit dem Müll passiert, den sie auf die Straße werfen und an das tägliche Bild von vermüllten Städten hat man sich hier einfach schon gewöhnt.
Tipps:
- Müll im Rucksack lassen bis ein Mülleimer kommt
- Auf Wanderungen Müll einsammeln, der herum liegt
- Darauf achten weniger Plastik zu kaufen
- Eine eigene Einkaufstüte zum Einkauf mitnehmen
- Menschen bewusst machen, was sie machen indem sie Verpackungen einfach aus dem Fenster schmeißen
Umstrittener Präsident Evo Morales
Der amtierende linksgerichtete Präsident Evo Morales ist ein sehr umstrittenes Thema in Bolivien. Es ist mittlerweile deutlich, dass er ein diktatorisches Regiem aufgebaut hat und sich seinen Präsidentenstatus nicht mehr nehmen lassen möchte. In hat in seinen bisherigen Amtszeit viele positive Aspekte für die Bevölkerung gemacht, z.B. eine Art Kindergeld eingeführt, den Armen geholfen, dem Staat einen neuen Namen gegeben der alle Völker Boliviens mit einschließt – Plurinationaler Staat Bolivien und eine neue Verfassung aufgebaut, um die Gleichstellung der indigenen Kulturen zu garantieren und diese Kulturen zu fördern. Ebenso hat er aber auch seine Finger im Kokain Geschäft, weshalb Chile und Brasilien keinerlei wirtschaftlichen Abkommen mit Bolivien treffen möchte. Zudem unterstützt er Maduro in Venezuela, womit er sich ebenfalls gegen die meisten anderen südamerikanischen Staaten stellt. Weiterhin ist Korruption ein großes Problem. Der Präsident bereichert sich nicht direkt, doch bevorzugt sein Umfeld und seine Vertrauten. Es ist mittlerweile seine 3. Amtszeit und er möchte im September zum 4. Mal kandidieren. In der bolivianischen Verfassung ist verankert, dass ein Präsidenten nur zwei Mal amtieren darf. Bei seiner dritten Kandidatur hat er sich erfolgreich mit der Begründung der Gründung eines neuen Staates herausgeredet. Für eine erneute Kandidadur gibt es allerdings keine Gesetzeslücke und die Verfassung verbietet eine weitere Amtszeit. Das Parlament hat dies zwar ausgesprochen, er hat aber bereits beschlossen im September 2019 trotzdem zu kandierien. Viele Menschen sind darüber verständlicherweise verärgert, weshalb es vor der Wahl im September zu vielen Protesten kommen kann.
Transportmittel
Den hohe Standart an Bussen, den wir in Peru genossen haben, gab es in Bolivien leider nicht mehr. Busse sind zwar auch in Bolivien das Hauptverkehrsmittel, jedoch sind die Fahrzeuge wesentlich älter und abgenutzter. Es wirkte fast so als hätte Peru seine alten Busse an Bolivien weiterverkauft. So war es ganz normal, dass Windschutzscheibe große Risse hatte und mit Tape zugeklebt waren. Ein positiver Aspekt ist aber, dass die Busse in Bolivien recht günstig sind und man deshalb ohne großen Aufpreis die bessere Klasse (Businessclass) buchen kann. Dort ist die Einrichtung zwar auch etwas älter aber man hat sehr viel Platz und die Sitze sind bequem. Neben den alten Linienbussen ist uns auch aufgefallen, dass viele Strecken mit Colectivos befahren werden. Nicht nur die 1-2 Stunden Fahrten wie sonst in Südamerika, sondern auch 4-6 Stunden lange Fahrten werden oft mit Minibussen betrieben. Eins kann vorallem Jakob sagen – lange Beine und kleine Minibussen passen nicht sonderlich gut zusammen.
Tipps:
- Busse mit Cama (Betten) buchen – nur etwas teurer und dafür wesentlich mehr Platz
- Rucksack und Wertsachen auf dem Schoss und nicht unterm Sitz
- Zeit einplanen – Colectivos füllen sich je nach Strecke nur sehr langsam
Verbesserte Infrastruktur
Wir hörten und lasen viel darüber, wie schlecht entwickelt Bolivien sei, insbesondere in der Infrastruktur. Immer wieder hieß es, dass Hauptverbindungen nur aus Schotterstraßen bestanden und dadurch eine Fahrt erschweren. Jedoch können wir dies nur bedingt bestätigen. Wir haben ein Land erlebt, in dem sich gerade sehr viel tut. Die vermeintlichen Straßen, wie die von dem Umstiegszentrum Cochabamba in die Hauptstadt Sucre war, anders als im Internet beschrieben, gut ausgebaut und asphaltiert. Auch die Straße von Cochabamba zum Torotoro Nationalpark wurde gerade weitgehend ausgebaut und erneuert. Auch sonst waren die Straßen meistens gut beschildert und teilweise sogar besser als in Peru oder Kolumbien.
Unterkünfte und Übernachtungen
In den Städten Boliviens ist es kein Problem via Booking oder Hostelworld eine Unterkunft zu finden. Anders sieht es jedoch in kleineren Dörfern oder in Nationalparks aus. Dort gibt es meist nur limitierten Internetzugang und daher auch online so gut wie keine Unterkünfte. Wir sind ohne Reservierung in die Dörfer gefahren und haben vor Ort ohne Probleme durch ein wenig Fragen immer schöne und günstige Unterkünfte gefunden. Im Vergleich zu Peru sind die Unterkünfte nochmals günstiger, so bekommt man ein einfaches Doppelzimmer schon ab 7€. Nur Klopapier fehlt so gut wie immer in den Hostelbädern. Wir wissen nicht wieso, da das Klopapier eigentlich auch nicht teuer ist, aber trotzdem ist seit Bolivien immer eine Rolle in unserem Rucksack.
Tipps:
- Toilettenpapier im Rucksack haben
- Nicht zu viel zahlen – Verhandeln!
- Nach heißer Dusche fragen, nicht immer Standard
Hallo Ihr Lieben! Vielen Dank für Eure Einträge! Toll geschrieben und sehr praktische Tipps die man sonst so nicht findet. Ich wünsche Euch viel Spass und weiterhin gute Reise😊 Liebe Grüße!!! Agnieszka 🤗👋